Wir durchqueren auf unserer Hinfahrt nach La Herradura, unserer Bleibe für die nächsten Monate an der Costa Tropical, die autonomen Region Andalusien in Südspanien. Die Provinz Almería ist eine der acht andalusischen Provinzen, angrenzend an die Provinz Granada, sowie an die Region Murcia und an das Mittelmeer. 

Ein eindrückliches Erleben eröffnete sich. Bisher nur aus Pressebildern und Dokumentationen gesehen.

Unser Weg führt eine gefühlte Unendlichkeit entlang und inmitten des berühmt berüchtigten mar del plástico (Plastikmeer) von Almeria. Über 360 Quadratkilometer – die weltgrößte Konzentration von Intensivkultur. Drei Millionen Tonnen Obst und Gemüse werden hier in Treibhäusern jährlich produziert. 

Foto: AFP

80 % der spanischen Gemüseexporte sorgen dafür, dass wir in Nord- und Mitteleuropa das ganze Jahr hindurch unter anderem mit frischen Tomaten, Gurken, Peperoni und Auberginen versorgt werden. Günstiger als alles andere Gemüse in unseren Regalen.

Die Niederschlagsmenge ist hier die geringste in ganz Spanien und Desierto de Tabernas die einzige Wüste des europäischen Kontinents.

Rund 3000 Sonnenstunden und eine Durchschnittstemperatur von 27°C im Sommer und 15 °C im Winter ermöglichen Ernten zu Jahreszeiten, in denen in Mitteleuropa gerade einmal die Saat ausgebracht wird. 

An der Südküste weht an rund 100 Tagen ein starker Westwind. Bis in die 1960er Jahre wurden hier Speisetrauben angebaut. Der Wind erschwerte den weiteren Gemüseanbau. Der Schutz hintern Mauern und Zäunen war gering.

Erst als die mit Pfosten und Drähten aufgebaute Rebstruktur mit Plastik überzogen wurde, bildete sich stabile Strukturen, die auch stärkeren Winden standhielt.

In den achtziger Jahren wurden schließlich im großen Stil Wasserpumpen eingesetzt und Plastik-Verschläge errichtet. 

Der hohe Wasserverbrauch in der Landwirtschaft beeinflusst auch die Wasserreserven in der Provinz. Das Grundwasser, das aus fossilen Wasservorräten der Sierra Nevada und von den unterirdischen Flüssen aus 100 Metern Tiefe gespiesen wird, ist in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und inzwischen auch versalzen. Dies obwohl sich der Wasserverbrauch seit den 1980er Jahren von 240‘000 hl auf 70‘000 hl verringert hat – bei dreifach vergrößerter Fläche.

Mittels Tröpfchenbewässerung, Hydrokulturen, Regenwasserbecken und Sand, mit dem die Pflanzerde bedeckt wird, entstehen geschlossene Wasserkreisläufe, die den Verbrauch drastisch senken. Alles andere würde den wirtschaftlichen Ruin für die Erzeuger bedeuten, ist doch der Wasserbezug ein großer Kostenpunkt für die Produzenten. 

Der Bau von Entsalzungsanlagen, um Meerwasser für die Bewässerung zu gewinnen – in ganz Spanien gibt es über 900 solcher Anlagen – könnte die Lage entschärfen. Da die Süßwasser Gewinnung aus dem Meer aber extrem energieintensiv ist und die Sonnenstube Europas, aus welchen Gründen auch immer, noch nicht auf die Solarenergie setzt, macht dieses Wasser sehr teuer. Trotz allen Anstrengungen beträgt das jährliche Wasserdefizit rund 50 Hektokubikmeter pro Jahr.

Etwa 80 000 Personen verdienen sich in der Region ihren Lebensunterhalt,

30 000 von ihnen sind Einwanderer, vor allem Erntehelfer. Zunächst kamen die Arbeitskräfte vor allem aus Marokko und Schwarzafrika, später auch aus Ecuador, Rumänien oder Bulgarien.

In Kritik steht vor allem die Situation der nordafrikanischen Migranten, die aufgrund ihrer unsicheren Rechtslage meist illegal, unter unmenschlichen Wohnbedingungen und zu Dumpinglöhnen (weit unter dem Minimallohn von 35 Euro pro Tag), in den Anlagen arbeiten. Oft wird von Sklavenarbeit gesprochen.

Wegen des großen Preisdrucks von Großverteilern aus Mitteleuropa lässt sich auch für den Produzenten wenig Geld verdienen. Kleine Bauern können lange schon nicht mehr kostendeckend produzieren.

Früher war die Anlage stark mit Pestiziden belastet, die die Migranten ohne jeglichen Schutz ausbrachten. Heute wird, gemäss Produzenten, 90% biologisch angebaut. Durch den Import von Hummeln als Bestäuber und importierten Insekten (z.B Orius laevigatus), als Schädlingsbekämpfer, wird auf den Einsatz von Pestiziden weitgehend verzichtet. Die biologische Methode ist 40% günstiger als traditionelle – das hat die Produzenten überzeugt umzustellen.

Trotz allem wird in den großen Monokulturen, die intensive Düngung benötigen, Agrarchemikalien eingesetzt. Die im Trinkwasser vorhandenen Nitratwerte übersteigen um das Doppelte den EU-Grenzwert.

Die hauptsächlich angebaute Longlive Tomate erscheint auch drei Wochen nach ihrer Ernte in unseren Regalen glänzendrot frisch. Die harte Schale verzögert die Verrottungsdauer. In einem Experiment, gesehen in einem YouTube Film, fiel eine Tomate aus fünf Metern Höhe unbeschadet auf einen Betonboden. Diese könnten bei einem Demonstrationseinsatz zu gefährlichen Geschossen werden.

Ich freue mich auf die Weiterreise nach Herradura, auf die Finca Baobab, wo Anja und Charlie, ihren vielfältigen Gemüsegarten unterhalten, im Schatten von Obstbäumen – ähnlich einer Permakultur Anlage, belebt von Vögeln und Insekten, gedüngt mit Kompost von Pflanzenabfällen und dem hauseignen Eselsmist. Der Problematik der Wasserknappheit können auch sie sich nicht entziehen.

© NASA/GSFCMETI